stücke aus römischen schriftstellern, wie sie schon seit langer zeit zu predigtzwecken gesammelt waren, auch lediglich zum zwecke der moralisirung zusammengestellt und frührer oder später mit der bezeichnung Historia oder Gesta Romanorum moralizata oder ähnlichem versehen wurden. Ob diese erste recension unseres werkes ausschlieſslich aus solchen stücken classischer autoren bestanden habe, oder ob ihr nicht schon von vorn herein eine reihe späterer erzählungen und parabeln (quaedam alia) eingefügt sei, das läſst sich heute natürlich nicht mehr entscheiden; fest dagegen steht, daſs schon früh auszüge namentlich aus den jüngeren römischen schriftstellern und ebenso zusammenstellungen derselben als Historia oder Gesta Romana oder Romanorum bezeichnet wurden, so wie daſs unser werk aus der moralisirung einer solchen oder einer ähnlichen sammlung entstanden ist, das wesen desselben daher in den moralisationen liegt, so daſs schon die bezeichnung der römischen geschichte als mystice designata, moralizata, Moralitates ex gestis Romanorum, und wie die überschriften alle lauten können, sie als unser werk charakterisirt. Wie nun aus solchem grundwerke die fast unendliche mannigfaltigkeit sich entwickelt hat, welche uns in den handschriften des 14. und 15. jahrhunderts vorliegt, darüber geben diese handschriften selbst die sicherste auskunft. Zuerst wurden parabeln eingefügt oder angehängt, welche einer geistlichen auslegung sich leicht anschmiegten, dann nahm man nach neigung oder gelegenheit stücke auf, welche zum besten der moralisation umgestaltet wurden, und endlich erfand man, oft ungeschickt genug, erzählungen lediglich zum zwecke ihrer geistlichen deutung. Daraus erklärt es sich, daſs bekannte erzählungen in den handschriften häufig nur mit den anfangsworten angedeutet sind und die moralisation allen raum einnimmt, daraus erklärt es sich ferner, daſs namentlich in den älteren manuscripten platz für die geistliche auslegung frei blieb: die texte waren ausgewählt, aber die moralisationen noch nicht geschrieben. In späterer zeit hatte man es bequemer, man vervollständigte eine abschrift durch die hinzugetretenen stücke einer zweiten faſsung oder schrieb einfach zwei recensionen zusammen. Daſs in solche zusammenstellungen schlieſslich auch bloſse mönchs- und heiligengeschichten — durchgängig aber ohne moralisation, womit sie sich sofort als fremde bestandtheile verrathen — einen platz fanden, kann nicht auffallen, da alle solche werke lediglich der privatunterhaltung dienten und in jeder beziehung der persönlichen neigung des schreibers gemäſs ausgeführt zu werden pflegten, bis das abschreiben des werkes in verschiedenen feststehenden faſsungen als erwerbsquelle
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