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lage, denn die den Gesta Romanorum mit werken ungefähr gleichzeitiger schriftsteller gemeinschaftlichen capitel können diese eben so wohl unserm werke entlehnt haben, wie der umgekehrte fall möglich ist. So kann als zuverläſsig nur das gelten, was die Gesta Romanorum ausdrücklich selbst citiren, sobald nämlich das citat sich als richtig erwiesen hat; denn wie unzuverläſsig in jener zeit namen und quellen angegeben zu werden pflegten, das bedarf nicht mehr als eines bloſsen hinweises. Indessen auch diese grundlage wird wieder schwankend, sobald man über die beurtheilung einer einzelnen faſsung hinausgeht, weil die späteren handschriften vielfach stücke aus jüngeren schriftstellern aufgenommen haben, also für das alter des grundwerks keinerlei beweiskraft in anspruch nehmen können.

Die entstehungszeit der Gesta wurde früher in das ende des 13. jahrhunderts gesetzt, in neuerer zeit pflegt man sie in die mitte des 14. zu verlegen, hauptsächlich weil man annahm, sie müſsten nach dem tode Holkots (1349) zusammengestellt sein, aus dessen Moralitates sie eine reihe von nummern entlehnt hätten. Dagegen lieſse sich freilich einwenden, daſs Holkot die betreffenden stücke umgekehrt unserm werke entnommen haben könnte, indessen trägt Holkots compilation durchgängig einen so ausgeprägt mystischen, den Gesta sonst fremden charakter, daſs ich vollständig von der richtigkeit der ersten annahme überzeugt bin. Aber diese thatsache selbst zugegeben, so beweist sie doch nichts mehr, als daſs alle faſsungen, welche in einer früheren quelle nicht bekannte stücke aus Holkot aufgenommen haben, z. b. gleich das charakteristische lat. 1, jünger sind als 1349, keineswegs aber, daſs die Gesta überhaupt nicht älter sein können. Eben so wenig beweist freilich auf der anderen seite die mehrfach hervorgehobene annahme, daſs unser werk vor der abfaſsungszeit des Decameron (1348 — 1358) bekannt gewesen sein müſse, da Boccaccio ihm mehrere stücke entlehnt habe, denn dieser schriftsteller hat die betreffenden stoffe nachweislich aus anderen, älteren quellen, gerade nicht aus den Gesta geschöpft, oder daſs Conrad von Ammenhausen 1357 viele stücke aus unserer sammlung in sein schachzabelbuch aufgenommen habe, da dieser nur das bedeutend ältere werk des Jacob von Cessolis bearbeitete, welches zudem fast ausschlieſslich seit jahrhunderten landläufige beispiele erzählt. Als zuverläſsig erscheint danach z. b., daſs der Colmarer codex nicht früher entstanden ist, als etwa um die mitte des 14. jahrhunderts, weil er das capitel lat. 1 aus Holkot entlehnt hat; dagegen ist keinerlei grund vorhanden, dem ältesten Berliner codex, oder gar dessen vorlage, ein bedeutend höheres