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konnte ich mich hier auf die nachprüfung der von ihm gewonnenen resultate beschränken, und brauchte nur einzelne repräsentanten der familie genauer durchzuarbeiten, hauptsächlich um einerseits die abweichungen von den festländischen handschriften zu erkennen, andererseits aber die für den anhang des textes bestimmten, in Deutschland nicht vorgekommenen stücke abzuschreiben. Die sämmtlichen von englischen händen, in lateinischer wie in englischer sprache, geschriebenen codices umfaſsen einen bestand von nur 103 capiteln. Viele von ihnen kommen in ihrer anordnung und in ihrem wortlaute dem hauptrepräsentanten der gruppe, Ms. Harl. 2270, auſserordentlich nahe, andere weichen in beiden beziehungen, namentlich aber in der anzahl der nummern, auch wo nicht bloſse bruchstücke vorliegen, bedeutend ab. Doch ist ihnen allen eine reihe von stücken gemeinsam, die in continentalen handschriften nicht nachgewiesen waren, und darin lag der hauptsächlichste grund für die annahme einer besonderen anglo-lateinischen recension. Daſs nun eine bedeutende anzahl der bisher für jene englischen handschriften allein in anspruch genommenen stücke auch in den continentalen manuscripten enthalten ist, das hat erst durch die vorliegenden vergleichungen in vollständigem maſse nachgewiesen werden können; damit aber ist — abgesehen von anderen, erst später zu erörternden gründen — die annahme eines selbstständigen anglo-lateinischen textes hinfällig geworden, und derselbe kann nur noch als ein einzelner zweig des weitverbreiteten geschlechts gelten.

Als eine zweite familie betrachte ich die nur auf dem festlande nachgewiesenen lateinischen und deutschen faſsungen, die etwa 100 capitel zählend sich am bequemsten um den deutschen druck von 1489 als ihren bekanntesten repräsentanten gruppiren, obwohl z. b. die älteste Berliner und die Dresdener lateinischen oder die meisten deutschen handschriften für solche stellung noch geeigneter erscheinen. Ihre eigenthümlichkeit besteht wesentlich in der reihenfolge der stücke, die wenn auch dutch mannigfache einschiebungen oder auslaſsungen verdunkelt, doch niemals verwischt werden kann, so daſs sie sich selbst da verräth, wo eine faſsung aus zwei verschiedenen vorlagen zusammengeschrieben ist.

Die dritte familie schlieſt sich an den freilich weit jüngeren vulgärtext, oder vielmehr an dessen verloren gegangene vorlage an, doch stellt diese im grunde schon eine mischform dar und zeigt wie die übrigen mischformen den einfluſs entweder abweichender recensionen oder ganz fremder sammlungen.