I )ie unter dem titel Gesta Romauorum bekaunte sammlung von moralisirten parabeln, fabeln und erziihlungen bildet eiiis der wich- tigsten, aber auch der dunkelsten und verwickeltsten capitel in der geschichte der weltliteratur. Es ist so viel und so vielerlei iiber diese sammlung geschrieben, dafs es vuliig uberfliifsig erscheint, auf die wichtigkeit derselben, auf ihre fast unberechenbare bedeutung fiir die literaturentwickelung nicht nur einer einzelnen natiou oder einer ein- zelnen vOlkergruppe, sondern der gauzen gebildeten welt, von deu zeiteu des mittelalters bis in die gegenwart hiueiu, noch uiiher eiu- zugehen; die dunkelheit und verwickelung der frage dagegen bedarf einer ausfiihrlicheren darlegung, da sie durch die bisherigen unter- suchungen nicht vermindert, sonderu uur vermehrt worden ist.
Das thatsiichliche besteht kurz in folgendem. Die iiltesten, um 1472 gedruckten und in lateinischer sprache geschriebenen aus- gaben der Gesta Romanorum enthielteu 150 oder 151 nummern; die- ser bestaud erweiterte sich aber sehr bald, noch friih iu den siebziger jahreu des funfzehnteu jahrhunderts, zu 181 capitelu, uud das so er- weiterte werk ist die fast unziihlige male gedruckte, iibersetzte und bearbeitete sammlung, die im gewohnlicheu leben allein unter der be- zeichuung Gesta Romanorum verstanden wird. Ich uenue diese, 181 capitel umfafsende, lateinische sammlung, im unterschiede zu den iibrigen, sowohl haudschriftlichen wie gedruckteu recensionen, den vulgartext. Daneben ist eine iihuliche, freilich nur einmal (Augsburg 1489) gedruckte sammlung in deutscher sprache vorhanden, welche denselben titel fiihrt, aber nur fiiuf uud neuuzig capitel enthiilt, vou de- neu manche mit dem lateiuischen texte iibereinstimmen, andere da- gegen vijllig neu sind. Endlich existirt noch eine miudesteus zehuv^^ mal gedruckte und nur 43 — 44 nummern umfafseude recension in englischer sprache, welche gleichfalls eine reihe im lateinischen
Oesterley, Gesta Romanorum. 1