Es wird mit Recht als ein Vorzug jedes Stils angesehen, wenn in dem Leser durch einen verhaltnissmässig geringen Aufwand von Worten und bei stetem Fortschritt der Gedankenentwicklung auf das bestimmte Ziel hin ein möglichst grosser Reichthum von Vorstellungen und Anschauungen geweckt wird. Dass dieser Vorzug dem Tacitus und zwar in ausgezeichnetem Masse zukömmt, ist allgemein anerkannt; es ist derjenige Vorzug, welcher gewöhnlich mit dem Namen der Taciteischen Kürze bezeichnet wird. Unter den Mitteln aber, welche von Tacitus hierzu angewendet worden, scheint mir eins noch nicht genau genug oder doch noch nicht im rechten Zusammenhang erörtert zu sein. Tacitus wählt nämlich nicht allein für die Begriffe die bezeichnendsten, prägnantesten Worte, er drängt nicht allein seine Darstellung der Ereignisse in möglichst wenige kurze, den Gegenstand aber mit dem hellsten Licht beleuchtende Sätze zusammen, sondern er überlässt es auch dem Leser häufig, Begriffe, Gedanken oder Beziehungen, die sich von selbst ergeben, seinerseits hinzuzudenken, und erspart es sich daher, sie auszudrücken. Es wird dadurch der glatte, ruhige Fluss der Darstellung unterbrochen; indem aber der Leser genöthigt wird, selbstthätig zu sein, so wird seine Theil-
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